ich saß mit alain in einem innenstadtcafe, straßencafe. kaum ein mensch dort, auch nur vereinzelt störgeräusche - er berichtete vom legendären wochenpresse-bericht von Peter HENISCH, welcher als kopie in seinem nicht mehr erhältlichen buch 'beruf ausländer' eingesehen werden kann.
das buch kann nimmer eingsehn werden und so setz ich mich übers copireit eines maroden verlags hinweg und tippsl das mal hier rein stück für stück - mit fortsetzung jeweils in den comments dieser stor'i'.

juli 1991 - theater das im augenblick entsteht. wie alain den passanten in den weg tritt. ich sehe das nicht mehr im original sondern vom videoband. dem akteur wurde inzwischen dringend nahegelegt, sich in der fußgängerzone der wiener innenstadt sich nimmer blicken zu lassen. eine gelbe bürste als requisit, das er immer dabei hat. höchste zeit,hat ihm jemand in das gelbe buch geschrieben, das er seit jahren zur dokumentation von reaktionen unter jenen herumreicht, die er nonverbal und verbal anzusprechen versucht. 'höchste zeit, dass jemand die wiener und die touristen abstaubt'.
requisit nr 2 ist ein gelber besen. monsieur stan: ein straßenkehrer der es schafft, besonders eiligen mit sicherheit im weg zu stehen. how small the world suddenly looks like when you appear in the middle of the crowd and start to clean the street with your broom - ausweichversuche machen besonders damen und herren, die ernstgenommen werden wollen, zu eiertänzern.
und dabei will sie alain stan nur auf das stück hundekot hinweisen, das er ihnen (wie er so schicksal spielt), in den weg gelegt hat.
requisit nr 3, ausnahmsweise nicht gelb, sondern braun. unverrottbar, aus plastik. klar kann man so etwas als belästigung auffassen. aber man kann auch das angebot des slapstickkomödianten ernst nehmen, die chance des augenblicks wahrnehmen, nicht bloß unfreiwillig, sondern in die unversehens eingetretene konstellation einwilligend mitspielen.
P Henisch - forts.folgt

meint alain, die sogenannte wirklichkeit für einen augenblick zu stoppen. dann erscheint die möglichkeit. sich auf die dialektik zwischen vorbereitetem spiel und unvorbereiteter umwelt einzulassen: sein prinzip, seine methode. bei anderen theatervorstellungen, da wisse man, wann sie anfingen, wann sie aufhörten. bei seinem theatre del instant, da wisse man das nie. auch der raum, in dem die vorführung stattfindet, ist nicht eindeutig abzugrenzen. er entsteht durch die leute, die stehenbleiben, ist seinem wesen nach flexibel, geschlossen und offen zugleich. es gibt keine türen, man kann also nie zu spät kommen. alain aber, der den prozess in gang setzt, wartet nicht, bis die zuschauer, ihre konventionellen rolle entsprechend, zusehen, sondern versucht, die passanten aus ihrer passivität zu locken, ob ihre reaktion nun positiv ist, oder negativ. p.henisch - forts.folgt

habe wiederkehrende szenen. etwa die tourist-collection, speziell hier in wien, auf der kärntner str. entwickelt, in der er als amerikaner, japaner, italiener, franzose, vorarlberger, tiroler und als wiener aus dem 17 bezirk auftrete. da er aber immer auf integration des publikums aus sei, bleibe nix fix. und manchmal komme die integration halt durch provokation zustande. es könne schon vorkommen, dass er einen besonders seriös gekleideten herrn, der sich offenbar in wichtigen geschäften unterwegs fühle, als mafioso bezeichne. oder einem fräulein, das hochnäsig über ihn (160cm) hinwegzusehen versuche, die zwar nicht akzentfreie aber urwienerische frage 'bist deppat' stellle. ausserdem habe er einen langstieligen löffel, mit dem er manchen leuten das eis wegzulöffeln sich ab und zu nicht zurückhalten könne. andererseits käme ihn manchmal das bedürfnis an, jenen, die gerade kein eis hätten, etwas vom überfluss der anderen zukommen zu lassen. das sei sein beitrag zur umverteilung.
in wien gewese4n ist er im juli 1986 zum 1.mal, unterwegs ist der nunmehr 37j. (heute: 49j.) sohn algerischer frankreichheimkehrer seit rund 10 jahren. zuerst ist er getrampt, eine zeitlang ist er mit dem fahrrad gefahren, inzwischen, zum kapitalisten geworden, hat er einen klein bus. im mutterland hat er sich nie so recht zuhaus gefühlt. aber wo ist schon zuhaus? bei seinesgleichen? vielleicht sei es genau das, was ihm und seinesgleichen im innersten entspreche. alain schätzt rimbaud, seinen unmittelbaren landsmann camus und prevert. alain schreibt chansons, alain entwickelt, wenn man ihn lässt, sein theatre de l instant auch auf dieser und jener bühne, aber es ist ihm vor allem wichtig, in bewegung zu bleiben.
p.henisch - forts.folgt

so hat er allerdings eine ihn nach und nach selbst überraschende tendenz, heirher zurückzukehren. dieses land, sagt alain, sei für ihn überschaubar. manche anderen länder seien für einen sogenannten kleinkünstler vielleicht zu groß. hier hingegen ließen sich die gegensätze, die widersprüche unter der voraussetzung einer gewissen sensibilität wahrnehmen und darstellen. womöglich sei es auch das nebeneinander von wurstigkeit und sentimentalität, von spießigkeit und offenheit, das ihn speziell an den wienern interessiert habe. 'die wiener schreien dich an mit ihrem schweigen, hat ihm einer ins gelbte buch geschrieben, aber du bist einer, der ohren hat, diese schreie zu hören und als hilferufe zu erkennen.' freunde gewonnen hat er im laufe der zeit. 'lass dich von den wienern nicht mutlos machen, gerade sie brauchen dich - schön dass du wieder da bist.'